Kerstin und ich by Lindgren Astrid

Kerstin und ich by Lindgren Astrid

Autor:Lindgren, Astrid [Lindgren, Astrid]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Elftes Kapitel

Und alles wurde noch lustiger. Der Mittsommertag kam wie eine heitere Festfanfare mitten in der Heuernte, und an dem sonnenhellen Morgen hißte Vater die Flagge an der Fahnenstange von Lillhamra. Johann ging unnatürlich fein in einem dunkelblauen Cheviotanzug und wassergekämmtem Haar umher. Er hatte ausnahmsweise einmal einen ganzen Tag völlig frei, und das kommt nicht oft vor in einer Landwirtschaft, wo das Vieh besorgt werden muß, ob es nun Sonntag oder Alltag ist. Im Laufe des Vormittags spannte er die beiden Pferde vor einen Heuwagen, und damit fuhren wir mit allen Fermschen Kindern davon. Zunächst ging es auf einem holprigen Wege durch den Wald bis zur Quellwiese, wo wir Laub holten und Blumen pflückten. Das Laub durften wir nur genau nach Johanns Anweisungen schneiden. Wir durften nicht etwa die Spitzen von kleinen unschuldigen jungen Birken abbrechen. Aber mit einiger Überredung gelang es uns doch, Johann zu bewegen, zwei junge Birken abzuhauen, die wir zu beiden Seiten der Tür zu unserem Flügel auf stellen wollten. »Es ist bloß einmal im Jahre Mittsommer, das mußt du bedenken.« Er brummte etwas, aber er schlug die Birken ab

Am Nachmittag versammelten sich alle Bewohner von Lillhamra und etliche Taglöhnerkinder von Blomkulla unten auf der Wiese, um den Mittsommerbaum aufzurichten. Erik kam auch. In Blomkulla wollten sie keinen Mittsommerbaum aufrichten. Edith, Kerstin und ich banden Girlanden aus dem Laub. Die Knechte richteten die Stange auf, und die Kinder liefen umher wie Kälber auf der Weide. Mutter bewirtete jeden, der etwas haben wollte, mit Fruchtsaft und Wecken auf der Wiese, und Vater ging mit zufriedenem Gesicht umher. Dann tanzten wir um den Mittsommerbaum: »Ich ging einmal durch den grünen Wald« und »Sieben schöne Mädchen gehn in einem Kreis, fallaralla«, und ich weiß nicht, was noch. Und dann spielten wir: »Eins, zwei, drei, das letzte Paar herbei« und »Dritten abschlagen«, und nachdem wir uns danach etwas verschnauft hatten, mußten alle Kinder Sacklaufen machen. Kerstin und ich nahmen außer Konkurrenz teil, schnitten aber nicht gut ab. Ein phänomenaler Tagelöhnerjunge aus Blomkulla kam als erster ans Ziel, mehrere Pferdelängen vor dem nächsten. Was mich selber betrifft, so wälzte ich mich zu dem Zeitpunkt wie ein hilfloses Paket etliche Meter vom Startplatz. Darauf stellten sich alle zu einem Wettbewerb auf, hundert Meter mit einer Kartoffel auf einem Löffel zu laufen. Alle außer Mutter. Es war ein wirkliches Schauspiel, wie Vater, zitternd vor Kampflust, während ihm das Haar in die Stirn hing, mit hocherhobener Kartoffel zum Lauf ansetzte. Aber er war viel zu eifrig, und die Kartoffel fiel ihm immer wieder herunter. Johann lief mit großer Würde und bekam einen ehrenvollen Platz hinter Erik, der als erster die Zielschnur sprengte.

Gerade als ich mich auf einen Stein niedergelassen hatte, um mich auszuruhen und mich mit einem Glas Fruchtsaft zu erfrischen, tauchte Björn neben mir auf. Ich freute mich so, daß ich richtig zusammenfuhr. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich ihn seit unerhörten Zeiten nicht mehr gesehen. Er war ziemlich blaß, und ich empfand nagende Gewissensbisse, gerade als wäre ich daran schuld, daß er so blaß war, und nicht der Luftröhrenkatarrh.



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